
Ein Thema wie geschaffen für ein Blog namens CyberpunkJournalism: Dystopie drauf, Journalismus drin und der Hintergedanke gilt, mal ganz was Neues, den Verkaufszahlen.
Im obigen Fall ist das Titelthema alles andere als witzig, aber die Hochglanz-Retuschier-Apokalypse á la Zombiefilm-Kinoplakat zieht es ins Lächerliche.
Der Spiegel bedient sich mit diesem Titelbild (und vielen davor) einer ganz einfachen Verkaufsmasche, die immer funktioniert: Angst. Und wovor haben Menschen am meisten Angst? Vor Krankheiten, Krieg… und dem Fremden ganz allgemein. Aber nicht nur Angst und Unsicherheit lassen die Kassen klingeln.
Die Ärzte besangen das Phänomen so:
„(…) Die meisten Leute haben ihre Bildung aus der BILD.
Und die besteht nun mal, wer wüsste das nicht,
aus Angst, Hass, Titten und dem Wetterbericht!“
Nun hat die BILD bekanntlich nicht die Weisheit gepachtet und viele andere Zeitungen und Magazine tun es ihr darum nach:
Angst vor… Salafisten? Check. Ebola? Check.
(s.o. und frühere Ausgaben)
Hass auf… Putin? Check. Religion? Check.
(z.B. der umstrittene Spiegel-Titel „Stoppt Putin jetzt“)
Nackte Frauen wie aufs Cover bekommen…? Medizinische Beiträge oder so, fällt bestimmt nicht auf (vergleiche dazu diverse Stern-Cover).
Sex, Doofheit und Verbrechen verkauft sich supi, am besten natürlich als unheilige Allianz. Ein Beispiel gefällig? Bitteschön: Die „Peniskuche-Affäre“ der NPD: http://www.focus.de/politik/deutschland/partybilder-werden-zum-verhaengnis-npd-general-ruecktritt-nach-peniskuchen-fotos_id_3749254.html und http://jungle-world.com/artikel/2014/13/49582.html
Sex sells, das ist bekannt. Das war aber noch nicht alles: Ein bisschen Krieg ist verdammt gut für die Verkaufszahlen. Denn: Je näher der Krieg (oder die Krankheit) ist, desto weniger kann man ihn ignorieren (vgl. dazu auch https://cyberpunkjournalism.wordpress.com/2014/09/30/genies-und-idioten-der-literaturgeschichte-1/) und je mehr man darüber erfährt, desto verwirrter ist man. Aber zum Glück leben wir im Informationszeitalter, sodass man noch mehr lesen, hören, anschauen kann und danach noch verwirrter ist. Dann wünscht man sich nur noch eines: Eine ganz simple Antwort. Mit Schwarz und Weiß und ohne diese komplizierten Grauzonen, ohne diese grundverschiedenen Meinungen und Perspektiven.
Heutzutage kann man sich seine Wahrheit sehr bequem selbst aussuchen: Mainstreammedien sind Müll, kann man sagen, und dann glaubt man eben nur noch das, was Opa Herbert jeden Tag in seinen Verschwörungstheoretiker-Videos brabbelt. Denn es ist so schön einfach. (siehe dazu auch https://cyberpunkjournalism.wordpress.com/2014/09/30/typisierung-verschwoerungstheoretiker/)
Alternativ kann man aber auch ganz schön „alternativlos“ sein, indem man sich von einem bis zur Unkenntlichkeit retuschierten Titelbild eines Magazins oder einer Zeitung sagen lässt, vor wem man Angst haben, wen man hassen und wen bzw. was man sexy finden soll. Stern, Times & Co. tun eigentlich nichts anderes als die Glamour und der Playboy: Alle spielen mit Extremen, schmeißen mit Superlativen um sich – für ein bisschen Aufmerksamkeit. Ein ständiger Wechsel zwischen Utopie (Karriere, Kohle, Kaufkraft) vorseuseln und Dystopie (Armut, Angst & Alleinsein) beschwören, zwischen Paradies und Hölle auf Erden.
Gut, dass man – hat das Cover dem durch permanente Reizüberflutung buchstäblich genervten Gehirn erst einmal „kaufen“ signalisiert – hinter den groß aufgemachten, glänzenden Titeln dieses eher unscheinbare und unattraktive Dings findet, diesen… Inhalt.
Es geht um das tolle Gefühl, das Wertvollste von den Menschen zu bekommen, das sie heute haben – Aufmerksamkeit.
Und beim Schreiben müssen Sie wissen, dass es mit einem Artikel möglich ist, Menschen zu verändern. Ob es über einen Hartz-IV-Empfänger ist oder über einen Superstar. Das ist ein unglaubliches Geschenk, wenn man es richtig macht.
Dr. Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung,
† 12. Juni 2014
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