
Die CeBIT (Centrum für Büroautomation, Informationstechnologie und Telekommunikation) ist die größte Messe für Informationstechnik weltweit. Man kann sich auf dem gigantischen Gelände in schwarzen Mercedes-Shuttles rumkutschieren lassen, sich zwischen all den Hallen und Technikständen verlaufen, mit kostenlosen Gimmicks und Schoki bestechen lassen oder im eigens für Muslime eingerichteten Raum neben der CenterStage zu Allah beten. Und wenn man so vercheckt ist wie ich, kann man den Presse- mit dem Backstagebereich verwechseln und plötzlich in einem Raum mit den Veranstaltern, Moderatoren und deren Gästen sitzen. Ich dache mir so: Play it cool. Die Security hat mich nur deshalb nicht rausgeworfen, weil ich irgendwie so wichtig geguckt habe wie alle anderen. Trotzdem seltsam, dass man so leicht in den Backstagebereich kommt, auf einer Veranstaltung zum Thema Sicherheit.
Glenn Greenwald, New Yorker Anwalt und Journalist, veröffentlichte die ersten Dokumente im NSA-Skandal in Absprache mit Edward Snowden. Greenwald setzt sich für Pressefreiheit ein und bezeichnet sich selbst als Unterstützer der Demokratie. Er macht seinen LeserInnen klar, wie absurd es eigentlich ist, wenn die Regierung fast alles über uns weiß und wir kaum etwas über unsere Regierung. Meiner Meinung ist Greenwald einer der besten Journalisten unserer Zeit. Deshalb, und weil er sich gerade konzentiert vorbereitete, konnte ich ihn vor seinem Auftritt auch unmöglich von der Seite anlabern, obwohl er nur einen Meter entfernt von mir saß. Und natürlich, weil der Name Glenn Greenwald in meinem Gehirn manchmal zu Green Glennwald wird. Wie Green Lantern. Ihn versehentlich so anzuquatschen, das hätte ich mir nicht verziehen.
Falsche Neutralität
Kurz nach 17 Uhr beginnt das Gespräch. Moderator Brent Goff hat vorher noch ein kurzes Intro auf seine vorbereitende Lektüre gekritzelt. Nun sagt er Glenn Greenwald an und Edward Snowden, der sich eine halbe Stunde dazuschalten wird. Greenwald stellt klar: Was die NSA getan hat, ist ein Verbrechen. Und viele Journalisten haben gar nicht erst versucht, etwas dagegen zu unternehmen, obwohl eigentlich genau das ihr Job ist. Doch Greenwald, der unter anderem für The Guardian schreibt, weiß auch, dass guter Journalismus teuer ist. „If you want do real journalism, you need resources. People like editors […] and operational security.“ Journalismus mit Qualität ist eine Frage der Finanzierung. Und man muss verdammt vorsichtig sein, dass man sich nicht von den Falschen finanzieren lässt. Früher, so Greenwald, war Journalismus subjektiver. Mittlerweile ist Qualitätsjournalismus aber so neutral geworden, dass man niemandem mehr auf den Schlips tritt. Diese Über-Neutralität und Angst vor Beurteilung (trotz gründlicher Recherche) – das ist ein großes Problem.
Blamage für Deutschland
Kanzlerin Merkel hat die CeBIT vor drei Tagen eröffnet. Edward Snowden kann nur per Video zugeschaltet sein, weil ihm in Deutschland kein Asyl gewährt wurde. Greenwald ist der Meinung, dass Deutschland der freien Welt damit keinen Gefallen getan hat. Außerdem ist es doch wirklich eine Farce: Ausgerechnet von der russischen Regierung bekommt der Whistleblower Snowden Asyl und die lupenreinen Demokraten in Deutschland halten sich fein raus. Deutschland hat sehr von dem profitiert, was Edward Snowden getan hat, weiß Greenwald. Vielleicht mehr als jedes andere Land. Durch die von Snowden beschafften Dokumente erfuhr Angela Merkel überhaupt, dass auch sie von der NSA abgehört wird. Ich glaube, das von unserer Regierung immer noch verzweifelt gesuchte Wort ist: Danke.
„Nobody does that for kicks“
Edward Snowden schaltet sich dazu. Auf die Frage, ob er Russland verlassen und nach Amerika zurückkehren wolle, antwortet er: „I want to go home.“ Ob er Vertrauen in die USA habe, dass er zurückkommen könne, ohne eine größere Strafe zu erwarten? Vielleicht nur einen Tag im Gefängnis? Ein Tag Gefängnis, das klingt irgendwie absurd. Einige Journalisten grinsen. Edward Snowden würde eine lange Gefängnisstrafe erwarten, außerdem gibt es nicht gerade wenige Leute, die ihn für einen Verräter halten und lieber ganz von der Bildfläche verschwinden lassen wollen. „Ich habe alles verloren, was ich hatte“, gibt Snowden zu. Die Veröffentlichung der NSA-Dokumente habe sein Leben ruiniert und er habe das ganz bestimmt nicht für den „Kick“ getan, sondern für die huntertmilliarden überwachten Menschen. Trotz allem würde er es wieder tun. Dystopisch-beklemmend auch Snowdens Aussage: „They are looking for people who are ins this room right now.“ Denn wie Greenwald schon vorher klarstellte, ist die Strategie der NSA sehr leicht zusammenzufassen: „Collect all!“ Klingt nach Pokémon, oder? Nur viel, viel schlimmer. Es wird Zeit, dass auch Leute, für die das Internet, ähem, Neuland ist, sich mit Datenschutz befassen. Wer sich nicht wehrt, hat – meiner Meinung nach – sein/ihr Recht aufs Meckern über die Regierung verspielt.
mk

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