
Die Pride Week in Hamburg war eine Mischung aus Protest und Party. Am Samstag zogen etwa 200.000 Menschen durch die Innenstadt und um die Alster herum. Als Rheinländerin fallen mir vor allem die Parallelen zu Karneval auf: Politisch, bunt und laut. Das diesjährige Thema lautete „Freie Bahn für Genderwahn“.

CSD statt AfD stand auf einigen Plakaten. Aber auch Liebe ist kein politisches Statement. Mit gegenseitigem Respekt, Toleranz und einem gemeinsamen Ziel gelingt es, die unterschiedlichen Strömungen unter einer Flagge zu vereinen. Vertreten waren unter anderem die Furries, Drag Queens, diverse Menschenrechtsorganisationen, alle bekannten Parteien außer AfD und CDU/CSU, verschiedene Vereine der LGBTI-Gemeinschaft, ein paar Konzerne, die sich einschleimen wollen, und natürlich das Partyvolk. Gemeinsam präsentierte man tanzend oder diskutierend die Vielfalt von Lebensformen. Präsenz ist wichtig, denn auch in den linken Hochburgen Deutschlands, zu denen Hamburg zweifellos zählt, sind rechtsextreme Straftaten in den vergangenen Jahren wieder angestiegen.

Die Regenbogenfahne wurde zum Beginn der Pride Week am Hamburger Rathaus und an vielen anderen Gebäuden gehisst. Sie ist nicht nur das Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung, sondern stand bereits in den 1960ern für die antifaschistische Friedensbewegung, vor allem in Italien. Das Motto „Freie Bahn für Genderwahn“ ist absichtlich provokant. Von der linken Debatte über Gender fühlen sich Menschen provoziert, die entweder ein sehr konservatives Familienbild haben oder nicht wissen, was Gender ist. Gender ist die Bezeichnung für das soziale Geschlecht, welches nicht mit dem biologischen Geschlecht verwechselt werden sollte. Auf der Webseite des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gibt es interessante Fallstudien und Gerichtsentscheide zu dem Thema.*

Am Freitag vor der Parade waren wir übrigens bei einem Vortrag über Familismus in der Roten Flora. Kritisiert wurde unter anderem, dass Ehepaare und Kleinfamilien finanziell bevorteilt werden, während alternative Familienformen wie Kommunen oder Patchwork von Politik, Gesellschaft und Medien nicht als Familien akzeptiert werden. Wer diese Webseite öfter besucht, weiß, dass ich gerne autonome Zentren und Clubs vorstelle, zum Beispiel das Kulturzentrum Faust in Hannover oder die Festung Prenestino aka. Fortopia in Rom. Die Flora ist deutlich kleiner als Fortopia, dafür mitten in der Sternschanze. Fotos machen ist aus Sicherheitsgründen verboten. Die deutsche Polizei geht erfahrungsgemäß viel härter gegen HausbesetzerInnen vor als die italienische.
Während der Pride Week wies die Polizei Hamburg darauf hin, dass sie Hass und Gewalt gegen die LGBTI-Gemeinschaft nicht toleriert und eine spezielle Ansprechperson für solche Übergriffe hat. Zwischenfälle während der Christopher Street Day-Parade am Samstag gab es wenige. Ein christlicher Extremist ist am Hauptbahnhof ausgeflippt, als die Parade vorbeikam, und wurde belächelt. Außerdem filmte ein notgeiler Greis die Frauen, die ihre Oberteile ausgezogen hatten. Freundlicherweise hat uns ein Demo-Teilnehmer vor ihm gewarnt. Ob der Typ angezeigt wurde, weiß ich nicht.
Und hier noch das mit Abstand beste Plakat der Demo:


Zum Abschluss der Pride Week tanzten wir wie die schlimmsten Hippies durch die Pfützen und den Regenbogen. Zur nächsten Pride Week bin ich hoffentlich in Wien, wo ich auch gerne die autonomen Zentren kennenlernen möchte. Auf dass sich die Szene in Europa – und weltweit – besser vernetzt! ❤️💛💚💙💜🖤💖
*Im ersten Semester hatte ich das Vergnügen, mich für Europäisches Privatrecht durch die Fallstudien wühlen zu dürfen. Eine Zusammenfassung findet man hier als PDF.
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